Testsystem dient der Erprobung von SCR-Systemen

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Testsystem für Harnstoff-Dosiersysteme
Testsystem für Harnstoff-Dosiersysteme. Bild: SMART / Emanuel Zifreund

Im Zuge der Diskussion über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in einigen deutschen Innenstädten sind Hardware-Nachrüstungen in aller Munde. Gemeint sind Systeme, die eine Harnstoff-Wasser-Lösung in die Abgase spritzen und so eine chemische Reaktion auslösen, bei der die schädlichen Stickoxide im Abgas in Wasser und Stickstoff umgewandelt werden. Diese Reaktion wird als selektive katalytische Reduktion bezeichnet, die Systeme für die Harnstoffeinspritzung entsprechend als SCR-Systeme. Mindestens 50, im Extremfall sogar über 90 Prozent der Stickoxide lassen sich durch nachgerüstete SCR-Syteme aus dem Abgasstrom herausfiltern, hat der ADAC im vergangenen Jahr bei einem Test von Euro-5-Dieseln herausgefunden.

Nachrüstung ist das eine, die Entwicklung neuer Fahrzeuge das andere: Bei der Entwicklung moderner Dieselmotoren führt an der SCR-Technik wohl kaum ein Weg vorbei. Sie ist der Schlüssel zur Erfüllung der Emissionsstufe Euro 6, die u.a. eine nochmalige Reduzierung der Stickoxidemissionen (NOX) fordert. Für uns ein guter Grund, um uns erneut ausgiebig mit der Technologie und ihren Testanforderungen zu beschäftigen. Dabei haben wir nicht bei null angefangen. Bereits 2007 haben wir – damals für einen großen Automobilzulieferer – ein Testsystem für entwicklungsbegleitende Softwarefunktionstests und Systemtests an Harnstoff-Einspritz-Systemen gebaut.

Unser jüngstes Projekt in diesem Bereich hatte es in sich, galt es doch ein System zu entwickeln, das zum einen die Prüflinge unter Realbedingungen betreibt sowie die für die geplanten Systemfrosttests benötigte Klimakammer eines Drittanbieters steuert, zum anderen die Prüfabläufe steuert.

Prüfstand erlaubt Systemfrosttests an 12 Prüflingen gleichzeitig

Den Aufbau des Prüfstandes und die besondere Bedeutung des Themas Sicherheit habe ich bereits in meinem Blog-Beitrag „Komplexe Testaufgaben erfordern tiefes Systemverständnis“ beschrieben. Hier noch einmal das Wichtigste in Kürze: Getestet werden soll, ob die Dosiersysteme die Harnstoff-Wasser-Lösung auch nach zig Einfrierzyklen noch innerhalb der Toleranzen in die Abgase einspritzen. Dazu werden die Prüflinge in einer großen, begehbaren Klimakammer an einem Heißluftschacht betrieben, der den Abgasstrang simuliert. Ein ausgetüfteltes Klappensystem im Schacht sorgt dafür, dass auch bei einer Kammertemperatur von -25 °Celsius an jedem Prüfling die gleiche Abgastemperatur ankommt. Unser Testsystem hat die Aufgabe, die Prüflinge zu bedienen – also die Harnstoff-Pumpen und –Dosiereinheiten zu steuern, und die Klimakammer technisch einzubinden.

Master-Slave-Konzept bietet mehrere Vorteile

Realisiert haben wir ein System mit zwei identisch aufgebauten Bänken für jeweils sechs Prüflinge. Jede Bank enthält unter anderem mehrere Baugruppen zur Temperaturmessung, außerdem Spannungsmess- und Schaltkomponenten. Letztere dienen zum Beispiel zur Bedienung der Heizungen für die Schläuche, über die die Prüflinge in der Klimakammer mit dem Testsystem verbunden sind. Jeder Prüfling verfügt über eine eigene, steuerbare Spannungsversorgung. Als zentrales Steuerelement enthält jede Bank unsere Prozessbaugruppe MCM-MainControl, auf der ein Lua-Skript implementiert ist, über das die Testabläufe und die Prüflingsbedienung in Echtzeit gesteuert werden.

Eine Besonderheit unseres Systemkonzeptes ist, dass eine der beiden Bänke als Master und die andere als Slave konfiguriert ist. Das erleichtert die Synchronisierung, die notwendig ist, damit beide Bänke erst in den nächsten Prüfstatus übergehen, wenn die jeweils dafür definierten Bedingungen bei allen Prüflingen erfüllt sind – wenn also beispielsweise sich bei allen eine bestimmte Temperatur eingestellt hat.

Weiterer Vorteil der Master-Slave-Architektur ist, dass der Kunde seinen Prüfstand modular ausbauen kann. Es könnte ohne Weiteres eine dritte Bank hinzugefügt werden. Und schließlich kann der Kunde die Bänke modular bestücken – etwa Bank 1 mit EDUs (elektronisch gesteuerten Dosiersystemen) und Bank 2 mit Non-EDUs. Beide Bänke können voll autark betrieben werden und ihre Prüflinge unabhängig von der Prüflingsart komplett bedienen. Um das zu gewährleisten, sind wir tief in die Details der zu prüfenden SCR-Systeme eingestiegen.

SMART-Produktpalette bietet alles, was man braucht

Non-EDUs beispielsweise werden statt über einen Controller über eine externe Endregel-Elektronik angesteuert. Daher haben wir in jede Bank eine solche Regelung mit sechs Endstufen eingebaut und einen Reglalgorithmus geschrieben, der für jeden Prüfling das notwendige Regelverhalten zwischen Harnstoff-Pumpe und Dosierventil nachbildet und die entsprechenden Stimulationssignale an die PWM-Endstufe sendet. Die gesamte Kette aus Hardware und Software muss funktionieren, damit die Dosiersysteme in derselben Funktionalität betrieben werden können wie im Fahrzeug.

Wenn eine Vielzahl an unterschiedlichen Prüflingen bedient werden soll, steckt der Teufel im Detail. Deshalb sind wir gründlich, was schon beim Herausarbeiten der genauen Funktionalitäten der Prüflinge und der technischen Anforderungen beginnt. Im aktuellen Fall sind wir daher mit einem gemeinsamen Workshop in das Projekt gestartet. Unter dem Strich können wir heute sagen: Wir haben alles im Portfolio, was man für die Funktions- und Dauererprobung von SCR-Systemen braucht, seien es nun Systemfrosttests, Hochtemperaturtests oder Schock- und Vibrationstests.

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